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Geschichte Buchbinder
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Quelle: wirtschaftskammer Österreich portal.wko.at 23.01.2012
Das Handwerk blickt auf eine Jahrhunderte währende Tradition zurück
Hermann der Buchbinder
In Klöstern wurden bereits lange Zeit vorher Bücher handwerklich hergestellt.
Zu den bekanntesten zählten das Kloster St. Theobald sowie die Schotten- und Dominikanerklöster.
Den ersten merklichen Aufschwung für das Handwerk der Buchbinder brachte die Gründung von Universitäten im deutschsprachigen Raum, wie z.B. die Universität Wien im Jahre 1365. Bis zur Erfindung des Buchdruckes durch Gutenberg 1455 gab es, da nur Handschriften in sehr geringer Zahl (enorme Kosten) hergestellt wurden, sehr wenige Buchbinder.
Erfindung des Buchdrucks führt zu erstem Boom
Erst die Erfindung des Buchdruckes ermöglichte die Massenherstellung und führte naturgemäß zum Erblühen des Handwerkes. Die Massenherstellung ermöglichte die Produktion von Büchern zu wesentlich günstigeren Preisen, machte allerdings auch die Entwicklung neuer Techniken notwendig. So entstand der Gebrauchseinband, der sich sowohl in Technik, als auch in der Gestaltung vom klösterlichen, mittelalterlichen Einband wesentlich unterschied.
Die wachsende Zahl der Buchbinder weckte das Bedürfnis, sich entsprechend zu organisieren.
Die Zunftordnung von 1548
1548 legten erstmals die Meister der Stadt Wien (die selbständige Gewerbesausübung war an den Besitz des Bürgerrechtes gebunden) eine von ihnen selbst ausgearbeitete Zunftordnung dem Stadtrat vor.
Der 30 jährige Krieg und die Türkenkriege bewirkten einen fast völligen Stillstand in der Buchkultur, die Produktion blieb allerdings beachtlich. So verzeichnete der Leipziger Messkatalog in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts jährlich zwischen 600 und 1.100 Neuerscheinungen.
Erst zum Ende des 17. Jahrhunderts mit seinen kunstsinnigen Kaisern gewann das Buch und dessen Form und Ausstattung wieder an Bedeutung.
Wiener Buchbinder gründen Österreichs erste Innung
Die älteste Innung Österreichs, die Buchbinderinnung Wien, legte 1689 das erste bekannte Meisterbuch an. Es bildet zusammen mit dem 2. Protokollbuch, 1774 angelegt sowie mit den Ordnungen 1549 und 1636 die Grundlagen, sozusagen die „Verfassung“ der Innung.
Im 18. Jahrhundert war das Buchbindergewerbe insofern rückläufig, als man auf das Äußere der Bücher weniger Wert zu legen begann. Zum Einbinden wurde billigeres Material (Papier) verwendet. Diese Papiereinbände haben zwar zur Verbilligung des Buches, nicht aber zur Veredelung der Buchbinderarbeit beigetragen.
Schulpflicht schafft neue Absatzmärkte
Durch die Einführung der Schulpflicht durch Maria Theresia wurden auch für die ärmeren Kinder Schulbücher notwendig. Zur Deckung des Bedarfs wurden Schulbücherverlage ins Leben gerufen. Dies bedeutete für viele gewerblichen Buchbinder jahrzehntelang ein wichtiges Betätigungsfeld. Heute wird dieser Zweig vorrangig von den industriellen Buchbindern abgedeckt.
Zeitungen, Zeitschriften und Lexika
Die Aufhebung der Zensur durch Josef II. führte zu einer bedeutenden Steigerung der Produktion von Druckwerken und damit auch zu einem Aufschwung für das Buchbindergewerbe. Zu der Zeit entstanden auch 3 neue Arten von Druckwerken, nämlich Zeitung, Zeitschrift und Lexikon.
Verpasste Chance: Die Erfindung der Klebebindung
1811 wurde Johann von Kronberg von der niederösterreichischen Landesregierung ein Patent auf Klebebindung erteilt. Der Klebebindung war durch die Ungunst der damaligen Zeit kein Erfolg beschieden. Das Buchbinderhandwerk dieser Tage war zu sehr mit deren althergebrachten Arbeitsweisen verbunden, um in dem Neuen einen Fortschritt zu sehen. Erst Emil Lumbeck (1886-1979) führte mit einer völlig neuen Methode die Klebebindung 1936 zu einem durchschlagenden Erfolg. Dieses Verfahren ist im wesentlichen bis in die Gegenwart erhalten geblieben.
Erfindung der Fotografie
Die Erfindung der Fotografie 1839 eröffnete dem Buchbinderhandwerk ein neues weitreichendes Betätigungsfeld. Hier wurden Fotos auf Karton aufgezogen und mit schrägem Goldschnitt und runden Ecken versehen.
Der geprägte, englische, vertiefte Karton wurde ursprünglich „Wiener Carton“ genannt und nur hier hergestellt.
Gewerbeordnung und Befähigungsnachweis
1859 trat die Gewerbeordnung mit dem Grundsatz der freien Gewerbeausübung, es genügte in der Regel die bloße Anmeldung, in Kraft. Im Zuge der Einführung der Gewerbefreiheit und Auflösung der Zünfte konnten nun auch Berufsfremde Buchbindereien gründen. Ein Leistungsverfall war die Folge. Der Gesetzgeber reagierte mit der Gewerberechtsnovelle 1883. Diese brachte die Wiedereinführung des Befähigungsnachweises in der Form einer Gesellenprüfung und praktischer Verwendungszeit. In den 60. und 70. Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Österreich eine neue Bibliotheksform, die Volksbibliothek. Diese Bibliotheken „für die breiten Bevölkerungskreise“ hatten ihre eigenen Einbände und zumeist wurden die Werke in mehrere Teile zerlegt, was den Buchbindern Beschäftigung bot.
Mitte der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts setzte auch im Buchbindergewerbe die Technisierung ein.
In Österreich war das Buch immer noch ein Luxusartikel für eine verhältnismäßig kleine Leserschaft. Die österreichischen Verlage ließen bestenfalls 2.000 Exemplare ihrer Werke herstellen, sodass die Buchdruckereien und Buchbindereien bei weitem nicht genügend beschäftigt waren.
Das Buchbinderhandwerk der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zeichnete sich durch großen Ideenreichtum und Üppigkeit bei den verwendeten Materialien aus.
Als über Österreich hinaus bekannte Vertreter des Handwerks sind Franz Wunder, Ferdinand Bakala und Anton Kierger zu nennen.
Erste Republik und Ständestaat
Nach dem 1. Weltkrieg stellten die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Konkurrenzierung der Buchbinder durch Buchdrucker, die selbst Buchbinderarbeiten durchführten sowie die Arbeiten in den Strafanstalten und anderen staatlichen Anstalten, die Betriebe vor sehr große wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Einen bedeutsamen Eingriff in das Wirtschaftsleben bedeutete das 1933 erlassene Untersagungsgesetz. Dieses machte die Errichtung eines Betriebes von der Bewilligung des Handelsministeriums, der eine Prüfung der bestehenden Wettbewerbssituationen vorausging, abhängig. Mit März 1935 trat das Gewerbebundgesetz in Kraft, welches einen organisatorischen Neuaufbau des Gewerbes brachte. Als alleinige Interessenvertretung wurde der Gewerbebund errichtet. Dieser gliederte sich in fachlicher Hinsicht in Innungen (früher Zünfte).Die Buchbinderzunft wurde zur Buchbinderinnung.
2. Weltkrieg und Neubeginn nach 1945
Der 2. Weltkrieg brachte den Buchbindern auch schwere geschäftliche Sorgen. Es kam zu zahlreichen Herstellungsverboten, wodurch die wirtschaftliche Lage der Betriebe sich derart verschlechterte, dass für eine entsprechende Schulung des Nachwuchs nicht mehr Sorge getragen werden konnte. Ein geregelter Berufsschulunterricht konnte erst wieder 1948 aufgenommen werden. Ab 1979 fungierten nicht mehr die Landesinnungen als Lehrlingsstellen, sondern es wurde eine einzige zentrale Lehrlingsstelle für jede Landeskammer errichtet. Dies bedeutete, dass Lehrvertragsanmeldungen, Auflösungen und Lehrlingsevidenz nicht mehr von den Landesinnungen geführt werden.
Innung der Buchbinder verzeichnet Mitgliederschwund
Die Innung der Buchbinder vertritt derzeit die Berufsgruppen der Buchbinder, der Kartonagewarenerzeuger, der Etui- und Kassettenerzeuger (diese 3 sind sogenannte verbundene Handwerke für deren Gewerbeantritt wird die Meisterprüfung in einem der 3 Gewerbe verlangt), der Papierwaren- und Papiersäckeerzeuger, der Präger sowie Rastrierer (dies sind sogenannte freie Gewerbe, an keinen Befähigungsnachweis gebunden). In den letzten Jahrzehnten musste ein großer Mitgliederschwund verzeichnet werden.
Das Auftragsvolumen der traditionellen Tätigkeiten des Sortimentbuchbinders wird durch den Vormarsch neuer Medien, wenn auch derzeit nicht bedeutend, verringert.
Eine Erweiterung des Leistungsangebotes wird sich als notwendig erweisen, um die Defizite auszugleichen. Ein zukunftsträchtiger Bereich liegt in der Erhaltung des Kulturgutes Buch, von Millionen kulturell wertvoller Bücher der österreichischen Bibliotheken.
Kulturgüter schützen: Buchbinder als Restauratoren
In Österreichs Bibliotheken lagern rund 24 Mill. Bände, von denen 20 % reparatur bzw. konservierungsbedürftig sind. Die Ursachen dafür sind nicht nur der Säurefraß, sondern ebenso Insekten, Pilze oder auch Würmer.
Die Wiederherstellung alter Bände nach der Bindetechnik vergangener Jahrhundert erfordert Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie jeder Buchbindermeister erlernt. Eine sinnvolle Arbeit kann nur dann stattfinden, wenn sich die Spezialkenntnisse des Konservarators bzw. Restaurators mit den handwerklichen Kenntnissen des Buchbinders verbinden. Deshalb wurde seitens der Bundesinnung die Zusammenarbeit mit der Nationalbibliothek gesucht. Hierbei sollten beide Seiten voneinander profitieren.
Die Restaurierung von Büchern ist sehr kostenintensiv und überschreitet selbstverständlich die Budgetmittel der Bibliotheken bei weitem. Es wird daher erforderlich sein, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um entsprechende Geldmittel, sei es aus EU-Förderungen oder staatlicherseits, zu erhalten. Es bedarf der Anstrengung aller am Kulturgut Buch Interessierten, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen.